REHA – PHASE – ZWEI
So war es denn nun wieder soweit und es ging zur Reha, die zweite. Mein Ehrgeiz war riesig und so übte ich in jeder freien Minute. Irgendwie auch getragen von dem Umfeld des LMC und meiner Mädels, die mich stets besuchten und aufmunterten, schien ich voller Motivation und Energie zu sein. Mein einziges Ziel war es, wieder laufen zu können. Es kam auch bald der Moment, in dem ich aus dem Rollstuhl aufstehen konnte und mit Hilfe versuchte, ein paar Schritte zu gehen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie atemberaubend schön das war!
Ja, so verging Tag für Tag: ÜBEN, ÜBEN, ÜBEN … manchmal ein nettes Gespräch mit ein paar Rentnern, das war es aber auch. Abends fiel ich meist um 20.00 Uhr todmüde ins Bett. Mein Umzug von Steinhagen nach Hameln stand noch an, für den einige Dinge geklärt werden mussten, und vor allem brauchte ich ja Hilfe, denn für mich hieß es hinsetzen und zugucken. Booh, das war schon krass, so gar nichts machen zu können. Und da zeigte sich erstmals, wie sich die Spreu vom Weizen trennt. Meine „angeblich“ beste Freundin fand keinen Termin und keine Zeit für mich. Es war wie ein Faustschlag ins Gesicht! Wer sonst sollte denn meine Sachen mit einpacken? Fragen über Fragen und keine Antworten. Zumal: Bei ihrem letzten Umzug ließ ihr neuer Lover uns sitzen und ich erinnere mich noch ganz genau, welch wirklich große Quälerei es war, dieses verdammt schwere Sofa durch das Treppenhaus zu schleppen. Und anschließend spielte ich noch Möbelbauer, um ihre neue Schrankwand aufzubauen. Ich war nicht nur sauer, sondern traurig, enttäuscht. Für mich ist eine Freundschaft was Heiliges – niemals würde ich jemanden so sitzen lassen. Nun ja, so täuscht man sich im Leben. Es half alles nichts, ich wollte definitiv NICHT, dass die Männer noch meine Sachen einpacken müssen, allein schon die Vorstellung, sie würden in meiner intimen Wäsche rumwühlen … NEIN, das ging überhaupt nicht, sie sollten ja schließlich noch arbeiten können. Ich war überhaupt schon froh, Hilfe für den Umzug gefunden zu haben. Gut, so organisierte ich mir ein freies Reha-Wochenende und einen Fahrer nach Steinhagen, um dann dort mit meiner fast 80-jährigen Mutter alles einzupacken. Ich konnte zwar nur durch die Wohnung krabbeln, aber immerhin besser als nichts.
Ich sage euch: In der Not wird man echt erfinderisch. Ich frag mich heute auch, wozu man Geschwister oder Neffen hat? Für die kam es wohl alle nicht in Frage, mir zu helfen, denn da hätte man ja ein paar Kilometer mehr fahren müssen. An Mitgefühl mangelt es aber auch noch an anderen Stellen in dieser Welt. Mittlerweile empfinde ich tiefes Mitgefühl, kann ja keiner was dafür, wie er ist.
Meine Mutter packte fast alles alleine ein, während ich ansagte, was mitkommt und was in den Müll fliegt. Da konnte ich sehen, welch Engel meine Mama ist und woher ich die Fähigkeit habe, so kräftig mit anzupacken. Ich bin zwar eine Frau, aber ich kann mir meine Hände trotzdem schmutzig machen.
Die Tatsache, dass ich meine Möbel in einer Garage unterstellen musste, machte es mir leicht, wirklich viel zu entsorgen. Ebenso gut war das tolle Angebot des neuen Käufers der Wohnung, dass ich allen Müll und die Möbel, die ich nicht mehr brauchte, stehen lassen konnte. Und das war definitiv eine Menge. Ja, ein Segen, dass es so viele hilfsbereite Menschen für mich gab, schließlich ist sowas ja keine Selbstverständlichkeit.
Während ich dann wieder in der Reha war, durfte ich dann an die Jungs bzw. Männer denken, die meinen Umzug machten. Schon komisch, nicht dabei zu sein. Ich hatte zu der Zeit keinerlei Ahnung, wie was überhaupt weitergeht. Ich wusste nur: „Nicole du musst wieder laufen!“ So fing ich auch bald an, vom Rollstuhl zum Rollator zu wechseln. Doch anstatt mich mal über diesen Erfolg zu freuen, ging mir alles nicht schnell genug. So rückte auch bald die Zeit der nächsten OP in Essen näher, doch davon demnächst mehr hier. Ich freue mich auf Dich.